Lange stand Joaquin Phoenix im Schatten seines toten Bruders River, doch spätestens seit "Gladiator" gehört der 29-Jährige zur ersten Garde Hollywoods. Nun kommt mit "Army go home!" eine makabre Militärsatire in die Kinos, in der Phoenix einmal mehr die volle Bandbreite seines schauspielerischen Könnens zeigt: Als charmanter Antiheld Ray Elwood schmuggelt er Heroin und verführt ganz nebenbei die Tochter seines Vorgesetzten.
Spielfilm.de:
Willkommen in Hamburg, Mr. Phoenix.
Joaquin Phoenix:
Vielen Dank! Stört es Sie, wenn ich rauche?
Spielfilm.de:
Nicht wirklich. Rauchen Sie viel?
Phoenix:
Leider ja, eine schreckliche Angewohnheit von mir (zündet sich eine Zigarette
an). Ich habe schon ein paar Mal versucht, damit aufzuhören. Einmal sogar mit
Hypnose, aber damit bin ich ziemlich auf die Schnauze gefallen (lacht).
Spielfilm.de:
Sie machen uns neugierig.
Phoenix:
Na ja, die Hypnose hat damals anscheinend funktioniert und ich bin
eingeschlafen. Stunden später hat mich die Frau des Arztes mit einem breiten
Grinsen wieder aufgeweckt. Ich fürchte, dass ich im Schlaf sehr viel von mir
preisgegeben habe. Das hat mich so nervös gemacht, dass ich mir sofort eine
neue Schachtel Zigaretten gekauft habe. Aber wechseln wir das Thema, es ist zu
deprimierend.
Spielfilm.de:
Ihr neuer Film "Army go home!" ist eine recht gewitzte Militärsatire.
Wie kamen Sie zu dieser zum Teil bitterbösen, zum Teil sehr charmanten Rolle?
Phoenix:
In "The Yards", "Gladiator" und "Quills" spielte
ich gleich drei tragische Figuren hintereinander. Also war es Zeit für eine
Komödie. Und wenn ich ehrlich bin: Ich musste einfach in einem Film
mitspielen, in der ein paar durchgeknallte Soldaten mit einem Panzer einen
Kleinwagen platt machen (lacht).
Spielfilm.de:
George Bush wird sich über den Film nicht freuen…
Phoenix:
Keine Ahnung, wie Mr. Bush darüber denkt. Es ist mir auch egal. Fragen Sie
mich nie, welche Reaktion ein Film bei jemandem hervorruft, da liege ich immer
falsch. Die Filme, die mir gefallen, mag meistens fast niemand. Die großen
Blockbuster dagegen finde wiederum ich uninteressant.
Spielfilm.de:
Wie wichtig ist Ihnen bei der Auswahl Ihrer Rollen denn das kommerzielle
Potenzial?
Phoenix:
Da befinde ich mich in einem Zwiespalt: Natürlich möchte ich in erster Linie
meinem Empfinden nach hoch künstlerische und geniale Filme drehen. Aber würde
ich Kassenknüller wie jetzt "Signs - Zeichen" ablehnen, könnte ich
mir die kreativen Projekte mit wenig Budget nicht mehr leisten. Schließlich
muss ich auch von etwas leben. In dieser Hinsicht bin ich sehr realistisch.
Spielfilm.de:
Seit Ihrer Kindheit arbeiten Sie im Entertainment-Business. Können Sie sich
etwas anderes überhaupt noch vorstellen?
Phoenix:
(stutzt und schüttelt den Kopf) Neulich habe ich mir für diese Frage eine so
schöne Antwort überlegt - und jetzt habe die Antwort vergessen. (überlegt).
Ah, ich weiß es wieder: Ich wäre gerne Berufsträumer (lacht). Es wäre doch
herrlich, wenn ich mein Geld mit Träumen verdienen könnte.
Spielfilm.de:
Was wäre denn Ihr größer Traum?
Phoenix:
Mein großer Traum ist es, irgendwann eine eigene Familie zu haben. Aber ich
denke, dafür brauche ich noch etwas Zeit. Ich bin einfach noch nicht soweit.
Spielfilm.de:
Träumen Sie nicht auch davon, irgendwann mal selbst Regie zu führen?
Phoenix:
Ich habe darüber nachgedacht. Aber ich bin einfach unfähig, schnelle und
konsequente Entscheidungen zu fällen. Diese Vorraussetzung muss man als
Regisseur aber unbedingt mitbringen. Ich würde in diesem Job vermutlich verrückt
werden. Ich wäre nicht mal imstande zu entscheiden, wo die Kamera aufgestellt
werden soll. Ich würde meine Meinung dauernd ändern. Mit dieser Art Stress
werde ich momentan noch nicht fertig.
Spielfilm.de:
Wie wichtig ist Ihnen Ihr Image?
Phoenix:
Manchmal lese ich da ein paar Sachen, und wirklich böse Behauptungen ärgern
mich schon. Aber meistens kümmere ich mich nicht mehr darum. Ich wohne nicht
in Los Angeles, lese keine Branchenblätter wie "Variety" und schere
mich nicht um Klatschmagazine. Daher bekomme ich nicht allzu viel mit. Ich
lasse mich nicht unter Druck setzten. Ich setze mich schon selbst genug unter
Druck.
Spielfilm.de:
In "Army go home!" fällt der Satz: "In Friedenszeiten haben
Soldaten nichts totzuschlagen außer die Zeit." Was machen Sie, wenn
Ihnen langweilig ist?
Phoenix:
Ich kann stundenlang an einem Fleck zu sitzen und einfach nur die Wand
anstarren. Ich kenne Kollegen, die während der Drehpausen in ihrem Wohnwagen
sitzen und unentwegt Computer spielen oder fernsehen. Ich gehe auch in meinen
Wohnwagen. Aber ich mache das, um allein zu sein, dazusitzen und nachzudenken.
Spielfilm.de:
Über was zum Beispiel?
Phoenix:
Ich werde oft unsicher. Wissen Sie, Filmdrehs stressen mich enorm: Ich möchte
etwas Zeitloses schaffen, das über das erste Startwochenende hinaus in den Köpfen
der Zuschauer bleibt. Aber es ist so leicht, beim Dreh Fehler zu machen, die
später nicht mehr geändert werden können.
Spielfilm.de:
Versagensängste?
Phoenix:
Es ist schon ein enormer Druck. Am Abend vor dem ersten Drehtag zu "Army
go home!" war ich so nervös, dass ich Gregor Jordan, den Regisseur, mit
weinerlicher Stimme anrief und ihn bat, zu mir zu kommen. Er kam dann auch
vorbei, aber er hat mich ausgelacht! Können Sie sich das vorstellen? Anstatt
mich zu trösten, lachte Gregor mich einfach aus.
Spielfilm.de:
Sind Sie nach den aufreibenden Dreharbeiten wenigstens mit Ihrer Leistung
zufrieden?
Phoenix:
Nie! Ich finde immer Fehler und Nuancen, die ich hätte besser ausarbeiten können.
Daran ändert auch meine Oscarnominierung nichts. Ich kenne mich selbst am
besten und bemerke Dinge an mir, die vielleicht niemand sonst sieht. Für mein
Empfinden war ich bisher in keiner meiner Rollen auch nur annähernd perfekt.
Mein großes Ziel ist es, in einer Rolle absolute Vollkommenheit zu erreichen.
Ich hoffe, das gelingt mir irgendwann.
TRANSLATION
Q: Welcome to Hamburg, Mr. Phoenix !
JP: Thank you very much ! Mind if I smoke ?
Q: No, not really. Do you smoke a lot ?
JP: Unfortunately, yes I do, a terrible habit ! I´ve already tried to
stop it
, even once with a hypnosis session but I really had a bad experience there (
laughing )...
Q: You make us curious...
JP: Well, this hypnosis seemed to work at that time and I fell asleep.
Hours
later the wife of the doctor woke me up with a big grin on her face. I´m
afraid
I revealed a lot of personal things during this session. That made me so
nervous I had to buy a new pack of cigarettes right away.
But let´s change the topic...this is just too depressing !
Q: Your new movie is an amusing military satire. how did you get this
partly
bitter nasty, partly charming role ?
JP: In "The Yards","Gladiator" and
"Quills" I played three tragic characters
one after another. So now it was time for a comedy. And to be honest: I just
HAD to play in a movie in which a couple of crazy soldiers run over a small car
with a panzer ( laughing )
Q: Bush won´t like this movie...
JP: I don´t know what Bush thinks about it and besides I don´t care.
Don´t
you ever ask me which reactions a movie might cause in a person because in
these cases I´m always wrong. The movies I like are the ones no one else
likes
whereas the big Blockbusters do not interest ME.
Q: How important is the commercial potential of a movie for you picking a
role ?
JP: I´m in a conflict with this. First of all I want to shoot genius
movies
on an artistically high level but if I refused box - office draws like
"Signs"
I wouldn´t be able to afford creative projects with low budget. Finally I
need
to live. In this respect I´m very realistic.
Q: You´ve been working in the entertainment business since your
childhood.
Could you imagine to do something else at all ?
JP ( stops short, shakes his head ) : Some days ago I thought over such
a
nice answer to this question but now I forgot it... ( considering )...Ah..now
I
remember. I´d like to be a jobdreamer. It would be just terrific to earn my
money with dreaming...
Q: What is your biggest dream then ?
JP: My biggest dream is to have a family. But I think I still need time
for
that. I´m not ready yet.
Q: Don´t you dream about directing one day ?
JP: I thought about it. But I´m just unable to make quick and
consequent
decisions.Being a regisseur you do need this condition.I´d probably go crazy
in
this job. I wouldn´t even be able to decide where to place the camera at. I
would change my opinions all the time. I can´t deal with this stress right
now.
Q: How important is your image to you ?
JP: Sometimes I read some things and really nasty claims do annoy me but
most
of the time I don´t care anymore. I don´t live in LA, I don´t read papers
like
"Variety" and I don´t care about yellow press. So I don´t really
notice too
much. I don´t let anyone put me under pressure. I put myself under pressure
enough.
Q: What do you do when you´re bored?
JP: I can sit on one spot staring at the wall for hours. I know
colleagues
who sit in their camping vans playing computer or watching TV during the
shooting breaks. I also go into the camping van but I do that to be alone,
just
to sit there and think.
Q: About what for example ?
JP: I often get unsure. You know shooting stresses me hard. I want to
create
something timeless that remains in the people´s heads after the premiere
weekend. But it´s so easy to make mistakes during the shooting which cannot
be
changed after all.
Q: Are you afraid to fail ?
JP: It really is an enormous pressure. The evening before the 1st
shooting
day of AgH I was so nervous I called Gregor Jordan with a whiny voice asking
him to come over to me. He came but he laughed at me! Can you imagine ?
Instead
of comforting me he just laughed at me !!!
Q: Are you at least satisfied with your performance after this
exhausting
shooting ?
JP: Never ! I always find mistakes and nuances I could have worked out
better. Not even my Oscar nomination changes something about that. I know
myself best. And I realize things no one else might see. In my opinion I wasn´t
nearly perfect in ANY character I´ve ever played. My biggest aim is to obtain
absolute perfection in a role. I hope to achieve that one day.